.
„Affective Polarization“ ist mittlerweile ein zentraler Begriff, um die wachsenden sozialen und politischen Spaltungen in vielen Demokratien zu beschreiben. Häufig wird dieser Begriff anhand der positiven oder negativen Gefühle gemessen, die Individuen gegenüber gegnerischen politischen oder sozialen Gruppen hegen. Doch diese Herangehensweise übersieht oft die Komplexität der Emotionen, die diese Spaltungen prägen. In seinem Vortrag wird Christian von Scheve darlegen, wie eine Betrachtung der sozialen und politischen Dimensionen von Emotionen unser Verständnis von Polarisierung vertiefen kann. Anhand einer Studie zur „issue-based polarization“ in Deutschland, die sich mit den Themen Klimawandel und Asylpolitik beschäftigt, wird untersucht, wie emotionale Ausrichtungen und die Gefühle gegenüber Unterstützern und Gegnern progressiver Politiken zur Verstärkung politischer Spaltungen beitragen. Mittels Clusteranalysen identifiziert die Studie zwei stark polarisierte Gruppen, eine distanzierte Gruppe und einen Residualcluster, die jeweils unterschiedliche emotionale Muster gegenüber ihren Alliierten und Gegnern aufweisen.
Die Ergebnisse zeigen, dass polarisierte Gruppen eine stärkere emotionale Ähnlichkeit zu Gleichgesinnten empfinden und größere emotionale Unterschiede zu jenen wahrnehmen, die konträre Ansichten vertreten. Zudem unterscheiden sich diese Gruppen signifikant in ihren sozio-demografischen Merkmalen und in ihren Engagement-Stilen, was die emotionale und strukturelle Dimension der Polarisierung unterstreicht. Die emotionalen Dynamiken zwischen Individuen und Gruppen spielen somit eine zentrale Rolle bei der Verstärkung sozialer Spaltungen.
In seinem Vortrag wird Christian von Scheve daher aufzeigen, wie Emotionen die sozialen und politischen Landschaften prägen, und fordern, dass bei der Auseinandersetzung mit Polarisierung die breiteren emotionalen und strukturellen Kontexte berücksichtigt werden. Es wird argumentiert, dass ein tieferes Verständnis der emotionalen Muster notwendig ist, um effektivere Strategien zur Überwindung von Spaltungen und zur Förderung sozialer Kohäsion zu entwickeln.