Am 16. November 2023 zog die von MIDEM und dem Europäischen Zentrum der Künste HELLERAU organisierte Diskussionsrunde „Die gespaltene Gesellschaft: Realität oder Mythos?“ ein breites Publikum aus den Bereichen Gesellschaft, Politik und Wissenschaft in den Konferenzraum des IHD. Die Eröffnung des Abends erfolgte durch die begrüßenden Worte von Hans Vorländer, dem Leiter von MIDEM, und Carena Schlewitt, der künstlerischen Leiterin des Europäischen Zentrums der Künste HELLERAU. Anschließend richtete Ursula M. Staudinger, Rektorin der Technischen Universität Dresden, ihre Worte an die Anwesenden.
Im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion stand die Erörterung, ob die derzeitigen Konflikte in Deutschland und Europa eine tiefe gesellschaftliche Spaltung bewirken oder ob diese Spaltung lediglich heraufbeschworen wird. Die Leitung der Diskussion übernahm Kathrin Müller-Lancé, eine Politikredakteurin der Süddeutschen Zeitung.
Nach Ansicht von Hans Vorländer zeichnen die Resultate der Studie zur Polarisierung des Mercator Forums Migration und Demokratie (MIDEM) ein differenziertes Bild der politischen Auseinandersetzungen. Zwar sei Europa nicht durch einen klaren Bruch geteilt, jedoch bestehe auch kein Anlass zur völligen Beruhigung. Besonders brisante Themen wie der Klimawandel und die Migration führten zu intensiven Diskussionen, so Vorländer.
Steffen Mau und Linus Westheuser, Soziologen der Humboldt-Universität, raten indessen zur Vorsicht bei der Überdramatisierung der gegenwärtigen Konflikte. Ihre kürzlich veröffentlichte Untersuchung „Triggerpunkte“ legt dar, dass sich in vielen politischen Fragen nicht zwangsläufig unversöhnliche Fronten gegenüberstehen. Die gesellschaftliche Spaltung sei nicht ausgeprägter als während der Studentenbewegung oder in den frühen 90er Jahren. Vielmehr existiere in zentralen Fragen wie der Gleichberechtigung oder dem Klimaschutz ein weitgehend breiter Grundkonsens. Kontroversen entzündeten sich hauptsächlich an „Triggerpunkten“ wie der Gendersprache oder dem Heizungsgesetz, welche stark emotional aufgeladen seien. Vorländer sieht ebenfalls eine politische Instrumentalisierung dieser Themen und hebt die Bedeutung von Empörungsunternehmern hervor. Doch bei Angelegenheiten wie dem Klimawandel oder der Migration seien die Gräben tiefer, was auch die politischen Debatten verdeutlichten. Diese Themen würden die politischen Lager links und rechts stark emotional spalten.
Zum Abschluss der Diskussion wurde die Notwendigkeit betont, in der aktuellen Lage Kompromisse zu suchen. Dabei sei die Zukunftsfähigkeit politischer Beschlüsse und die adäquate Repräsentation der Bevölkerung im Entscheidungsprozess entscheidend. Die kritische Reflexion über die politischen Entwicklungen in Deutschland betonte die Wichtigkeit eines offenen und konstruktiven Dialogs für die nachhaltige und demokratische Bewältigung politischer Herausforderungen, ein zentraler Punkt, auf den sich die Diskussionsteilnehmenden einigten.