Zugehörigkeit, Identität und Zusammenhalt

Migration fordert demokratische Gesellschaften heraus, das eigene Selbstverständnis in Frage zu stellen und neu zu definieren. MIDEM fragt deshalb danach, welches Verständnis von Identität und Fremdheit den unterschiedlichen Identitäts- und Zugehörigkeitsdiskursen europäischer Gesellschaften zugrunde liegt und wie sich dies auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt auswirkt.

In verschiedenen nationalen Öffentlichkeiten, aber auch auf europäischer Ebene, wird seit einiger Zeit kontrovers über Identität diskutiert. Vielerorts war in den vergangenen Jahren eine Konjunktur von Krisendiskursen über Zugehörigkeit und Fremdheit zu verzeichnen. Der Schwerpunkt ‚Zugehörigkeit, Identität und Zusammenhalt‘ untersucht diese Krisendiskurse in vergleichender Perspektive.

Krisendiskurse werden dabei als Ausdruck von sozialen und kulturellen Zuschreibungsprozessen verstanden, in denen zentrale Bilder, Wertvorstellungen und Selbstverständnisse europäischer Gesellschaften offen in Frage gestellt oder in neuer Form bestätigt werden. Dabei geht es nicht nur um Fragen der Migration, sondern generell um Vorstellungen von Fremdheit.

Ziel ist es, soziokulturelle und politische Spaltungslinien in Europa zu identifizieren und daraus Möglichkeiten zur Förderung des Zusammenhalts in Einwanderungsgesellschaften abzuleiten. Die Ergebnisse der Untersuchungen werden in Einzelfallanalysen und Vergleichsstudien präsentiert, die sich jeweils ausgewählten Ländern und Regionen Europas widmen.

Projekte

Schwerpunkte

Dr. Kristina Chmelar

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Dr. Marta Kozłowska

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Giovanni de Ghantuz Cubbe, M.A.

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Fluchtmigration aus der Ukraine

Der Angriffskrieg auf die Ukraine führte zur größten Fluchtbewegung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Über 8 Millionen Menschen haben seit Anfang 2022 das Land verlassen.

Etwa ein Viertel von ihnen erhielt temporären Schutz in Polen, Tschechien oder der Slowakei. Im Gegensatz zur „Flüchtlingskrise“ von 2015, als sich diese Staaten vehement gegen die Aufnahme von Geflüchteten aussprachen, zeigen sie sich nun ausgesprochen hilfsbereit. Was hat sich geändert?

Wie gehen die traditionell migrationskritischen Gesellschaften in Ostmitteleuropa mit der neuen Situation um? Und wie bewältigt die jeweilige politische Elite die Herausforderungen bei der Aufnahme und Integration von ukrainischen Geflüchteten? Auf diese und weitere Fragen geben die MIDEM-Expertinnen für Ostmitteleuropa Antworten.

Ansprechpartnerin

Dr. Marta Kozłowska

Wissenschaftliche Mitarbeiterin​

Dr. Kristina Chmelar

Wissenschaftliche Mitarbeiterin​

Identitätsdiskurse in den Visegrád-Staaten

Kaum ein Themenkomplex spaltete die Europäische Union in den letzten Jahren so stark wie Migration. Besonders im Westen Europas gelten Einstellungen zu Migration und gesellschaftlicher Pluralität als Prüfstein für Europafreundlichkeit.

Am kritikwürdigsten erscheint aus entsprechender Perspektive die Haltung der Visegrád-Staaten, scheinen sie doch vom Westen unterschiedliche Vorstellungen von kollektiver Identität, Loyalität und gesellschaftlichem Zusammenhalt zu haben. Das Projekt rekonstruiert entsprechende Vorstellungen anhand der Reden von führenden politischen Repräsentanten und Repräsentantinnen aus Polen, Tschechien, Ungarn und der Slowakei, wie sie in den vergangenen Jahren an herausragenden Nationalfeiertagen gehalten wurden.

Untergeordnete Fragen der diachron wie synchron vergleichenden Diskursanalyse sind, welche Rolle Migration spielte, inwiefern sich argumentative Verschiebungen – etwa durch die sog. Flüchtlingskrise – ausmachen lassen oder welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sich im Vergleich der landesspezifischen Diskurse zeigen.

Ansprechpartnerin

Dr. Kristina Chmelar

Wissenschaftliche Mitarbeiterin​

Migration und Integration in Polen

Immigration ist für Polen ein relativ neues Phänomenon und dadurch auch ein neues Politikum. Historisch gesehen ein Auswanderungsland, entwickelt sich Polen seit dem Ende der 2000er Jahre zunehmend zu einem Einwanderungsland – ohne dass sich die Gesellschaft und die Politik damit besonders auseinandergesetzt haben.

Gleichzeitig ist Polen stark polarisiert, was die Vorstellungen von Identität und Zugehörigkeit anbelangt. Und so geraten Migrantinnen und Migranten im entsprechenden politischen und öffentlichen Diskurs immer wieder zum Gegenstand politischer Auseinandersetzungen um die künftige Entwicklung der Gesellschaft.

Die Frage, ob die polnische Gesellschaft Eingewanderte in die Gesellschaft integrieren oder sie weiterhin nur als Arbeitskräfte aufnehmen soll, erinnert an die Debatten in Deutschland zu Beginn der 1990er Jahre. Polen wird sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, welche Art von Migrations- und Integrationspolitik das Land künftig verfolgen soll. Und es kann von Deutschland lernen, um nicht die gleichen Fehler zu machen.

Ansprechpartnerin

Dr. Marta Kozłowska

Wissenschaftliche Mitarbeiterin​

Migration und Integration in Italien

Ähnlich wie in vielen europäischen Ländern spielt Migration auch in Italien seit geraumer Zeit eine wichtige Rolle. Das Thema steht im Zentrum von Identitäts- und Zugehörigkeitsdiskursen, die um Staatsbürgerschaft, Integration und gesellschaftliche Teilhabe kreisen.

Aber auch im Wahlkampf wird Migration häufig problematisiert, was sich auch auf den Ausgang von Wahlen auswirken kann. Der Fokus des Forschungsprojekts ist auf den gesellschaftlichen, medialen sowie politischen Diskurs in Italien gerichtet. Im Vordergrund steht die Frage nach den mit Migration verbundenen Einstellungen, Erwartungen und Befürchtungen, wie sie insbesondere aus den Parteiprogrammen und -positionen hervorgehen.

Untergeordnete Fragen etwa sind: Inwiefern ist die Identitätsfrage in Wahlkämpfen relevant? Welche Rolle spielt Migration im Zusammenhang mit der Bewältigung der ökonomischen Krise des Landes? Wie erfolgreich ist die migrationsfeindliche Rhetorik von Parteien wie Lega oder Fratelli d’Italia? Und welchen Stellenwert hat Migration seit dem Amtsantritt von Giorgia Meloni als Ministerpräsidentin?

Ansprechpartner

Giovanni de Ghantuz Cubbe, M.A.

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

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