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Zwischen Polarisierung und Konsens - Die Demokratie unter Stress.

Unsere Gesellschaft steht am Scheideweg, die Demokratie unter Druck – eine gängige Diagnose unserer Zeit. Aber hält diese These vom bröckelnden Zusammenhalt Stand? Unsere Vortragsreihe im Wintersemester 23/24 greift genau diese Frage auf.

Lena Röllicke eröffnet am 05.12.2023 die Reihe. Ihr Vortrag: ‚Von Politisierung zu affektiver Polarisierung? Die deutsche Klimadebatte und die Letzte Generation.‘ Sie beleuchtet die Klimakontroverse in Deutschland, untersucht die Rolle der ‚Letzten Generation‘ und hinterfragt, wie tief die politische Kluft wirklich ist. Ein kritischer Blick auf die Pulsadern unserer Demokratie.

Danach referiert Paulina Fröhlich am 12.12.2023 über: ‚Die Übergangenen – Strukturschwach & Erfahrungsstark‚. Eine Studie über die Perspektiven und Herausforderungen der Menschen in strukturschwachen Gebieten Deutschlands in Zeiten der Großen Transformation. Entdecken Sie, wie diese Bevölkerungsgruppen zu aktiven Gestaltern ihrer Zukunft werden können, basierend auf Erkenntnissen aus über 200 Haustürgesprächen.

Andres Reiljan führt die Reihe am 09.01.2024 fort mit: ‚Fear and loathing across party lines in the (democratic) world: Affective polarization in comparative perspective.‚ Dort zeigt Reiljan eine tiefgreifende Analyse der affektiven Polarisierung und vergleicht den Grad der Polarisierung in mehreren Ländern. 

Am 30.01.2024 hält Laura-Kristine Krause ihren Vortrag: ‚Ansätze gegen Polarisierung zwischen Forschung und Praxis: Die Arbeit von More in Common.

Michael Neureiter führt am 13.02.2024 die Reihe mit: ‚Affektive Polarisierung, Kognitive Prozesse und die Integration von Zugewanderten‚ fort. 

Den Abschluss bildet Cord Schmelzle am 20.02.2024 mit seinem Vortrag: ‚Polarisierung und demokratische Legitimität‘.

Im Rahmen seines Vortrags „Polarisierung und demokratische Legitimität“ beleuchtet Cord Schmelzle ein zentrales Thema der aktuellen politischen Debatte. Er eröffnet die Diskussion mit der vorherrschenden Ansicht, dass eine gespaltene Gesellschaft nicht nur real existiert, sondern auch eine ernsthafte Bedrohung für demokratische Strukturen darstellt. Diese Herausforderung muss angegangen werden, so der allgemeine Konsens.

Schmelzle erweitert die Perspektive durch den Einbezug detaillierter sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse, die das tatsächliche Ausmaß der Polarisierung beleuchten. Allerdings, so merkt er an, bleibt die normative Bewertung dieser Spaltung oft unberücksichtigt. Sein Vortrag nutzt diese Lücke als Anknüpfungspunkt, um aus einer politiktheoretischen Sichtweise die komplexe Beziehung zwischen Polarisierung und der Legitimität demokratischer Systeme zu erforschen.

Das Fazit seines Vortrags offenbart eine ambivalente Natur der politischen Polarisierung: Einige ihrer Formen können paradoxerweise die Legitimität der Demokratie stärken, während andere wiederum eine ernste Bedrohung für das ordnungsgemäße Funktionieren demokratischer Regierungsformen darstellen.

Migration und die Anwesenheit von Migranten werden häufig als Faktoren der Polarisierung in westlichen Gesellschaften genannt. Michael Neureiter konzentriert sich In seiner Studie auf einen anderen Aspekt dieser Dynamik: Wie nehmen Migranten die affektive Polarisierung wahr und wie beeinflusst sie sie? Insbesondere untersucht er, inwiefern affektive Polarisierung die Integration von Migranten beeinflusst, insbesondere ihre politischen und sozialen Ansichten und Verhaltensweisen. Zur Beantwortung dieser Frage wurden verschiedene empirische Methoden angewendet, einschließlich eines Umfrageexperiments mit etwa 700 Teilnehmern in vier europäischen Ländern. Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass affektive Polarisierung negative Auswirkungen auf die Denkprozesse von Migranten hat, was wiederum ihre politische Beteiligung und ihre Motivation zur weiteren Integration beeinträchtigt.

Ansätze gegen Polarisierung zwischen Forschung und Praxis: Die Arbeit von More in Common am gesellschaftlichen Zusammenhalt“ – so lautet der Titel des Vortrags von Laura-Kristine Krause, der sich mit der aktuellen Problematik der gesellschaftlichen Spaltung und deren Auswirkungen auf die Demokratie auseinandersetzt. Diese Themen stehen derzeit im Brennpunkt sozialwissenschaftlicher Forschung und politischer Debatten. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie gesellschaftlicher Spaltung konkret begegnet und der gesellschaftliche Zusammenhalt über bestehende Trennlinien hinweg gestärkt werden kann.

Seit seiner Gründung im Jahr 2018 hat sich More in Common dieser Herausforderung angenommen. Die gemeinnützige Organisation verbindet Forschung mit praktischer Anwendung und hat in ihrer Studie „Die andere deutsche Teilung“ sechs Typen der deutschen Gesellschaft identifiziert, einschließlich des „Unsichtbaren Drittels“, also Menschen, die oft von der Gesellschaft übersehen, enttäuscht oder politisch und institutionell distanziert sind. Im Vortrag wird beleuchtet, warum gerade diese Gruppen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt essenziell sind, wie sich die tatsächlichen gesellschaftlichen Trennlinien in Deutschland darstellen und wie More in Common mit über 200 Partnern an der Bewältigung dieser Herausforderungen arbeitet.

Andreas Reiljan präsentiert eine tiefgreifende Analyse des Phänomens der affektiven Polarisierung, das in der aktuellen Forschung zunehmend an Bedeutung gewinnt. Er hinterfragt die grundlegende Definition von affektiver Polarisierung und plädiert für ein mehrdimensionales Verständnis dieses Konzepts. In seinem Vortrag beleuchtet er zudem, wie affektive Polarisierung in Mehrparteiensystemen gemessen werden kann und identifiziert die am stärksten und am wenigsten polarisierten Länder weltweit. Weiterhin zeigt er auf, wie Parteigefühle in verschiedenen Parteiensystemen strukturiert sind und zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Abschließend untersucht Reiljan auf Basis neu gesammelter originärer Umfragedaten einige der problematischsten Manifestationen affektiver Polarisierung, wie etwa die Diskriminierung von Mitbürgern aufgrund ihrer Parteipräferenz und das Engagement in parteimotiviertem Denken.

Paulina Fröhlich ermöglicht uns die tieferen Einsichten der Studie „Die Übergangenen: Strukturschwach & erfahrungsstark“. In dieser aufschlussreichen Veranstaltung wird beleuchtet, wie Menschen in strukturschwachen Gebieten Deutschlands die Große Transformation erleben und welche sozialen Herausforderungen und Ängste sie dabei begleiten.

Die Studie, erstellt in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung, basiert auf über 200 Haustürgesprächen in vier unterschiedlichen Regionen und bietet tiefe Einblicke in die regionalen Perspektiven auf Klimawandel, soziale Gerechtigkeit und politisches Vertrauen. Erfahren Sie, wie die Betroffenen der Transformation zu aktiven Mitgestaltern der Zukunft werden können und welche Rolle die Politik dabei spielen sollte.

Lena Röllicke präsentiert eine detaillierte Analyse der ‚Letzten Generation‘ und ihrer Methoden des zivilen Ungehorsams. Der Vortrag beleuchtet, wie diese Gruppe versucht, auf den Klimawandel aufmerksam zu machen und politische Veränderungen herbeizuführen. Diskutiert werden die Fragen: Wann wird aus Politisierung affektive Polarisierung? Welche Rolle spielen Identität und Emotionen in dieser Debatte? Ein kritischer Blick auf eines der kontrovers diskutierten Themen unserer Zeit.